DIE MARABOUT-SEITE
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Chronik (1901-2019)

Zur Sozial- und Literaturgeschichte Afrikas * von innen und außen 

Tageschronik: 27. Mai 2009

 

· Die MARABOUT-SEITE zitiert aus und zu Gambia ·  


"Zum Tod des gambischen Arztes und Schriftstellers Lenrie Peters",

Verschiedene gambische Zeitungen und Online-Portale mit Blickpunkt Gambia berichten vom Tod des pensionierten Chirurgen und Schriftstellers Lenrie Peters, der am 27.05.2009, in den frühen Mittwochstunden im Dentec Hospital in Dakar, → Senegal, verstorben ist. Todesursache war Herzversagen.

Die gambische Zeitung Daily Observer gibt an, dass die Schwester des Verstorbenen, Bijou Peters, den Tod ihres Bruders bestätigt habe. Er sei zunächst für eine Woche in die Westfield Clinik eingeliefert worden, bevor er in die Intensivstation des Royal Victoria Teaching Hospitals und schließlich ins Dentec Hospital verlegt worden sei.

Der mit Musa Ndow gezeichnete Artikel bezeichnet den Verstorbenen als "Philantrop", er sei ein "bekannter Chirurg", gewesen, der seine berufliche Ausbildung und Spezialisierung zum Chirurgen in England absolviert habe. Auf den Schriftsteller Lenrie Peters geht der Bericht nicht ein.

Auch die Online-Seiten gehen vornehmlich auf die ärztliche Tätigkeit des "großen gambischen Chirurgen und Poeten" (Senegambia News am 28.05.09) ein, der gemeinsam mit Dr. Palmer Jahrzehnte lang in ihrer (Westfield-)Klinik gearbeitet habe.

In den Jahren 1995 und 1996 habe er die Funktion eines Jurors für den Commonwealth Prize for Fiction bzw. Commonwealth Writers Prize wahrgenommen. "Sein Tod ist ein großer Verlust für Gambia, Afrika und die gesamte Welt", wird ein gambischer Schriftsteller zitiert, der anonym bleiben wolle.

Das in den USA ansässige Online-Nachrichtenportal The Gambia Echo, das in keinem Zusammenhang zur historischen gambischen Zeitung gleichen Namens steht, geht am 1.06.09 in seinem Nachruf u.a. auf die literarischen Veröffentlichungen des Verstorbenen ein. In den 1960er und 70er Jahren habe der Panafrikanist drei Gedichtbände (Poems, 1964; Satellites 1967; Katchikali 1971) und einen Roman (The Second Round, 1965) veröffentlicht. Auch der familiäre Hintergrund wird eingehend beleuchtet: Am 1. September 1932 sei Lenrie Peters in eine privilegierte Familie hineingeboren worden. Sein Vater, Lenrie Peters senior, habe Griechisch und Latein am Fourah Bay College der University of Sierra Leone studiert. Er habe in einer Import-Export-Firma gearbeitet und die Wochenzeitung The Gambia Echo herausgegeben. Peters' Mutter, Kezia Peters, sei in England aufgewachsen. Beide Eltern seien Anglikaner gewesen und von Sierra Leone nach Gambia emigriert, wo sie sich kennengelernt und geheiratet hätten. Die Familie habe als eine der geachtesten in Gambia gegolten. Bijou, eine der vier Schwestern des Verstorbenen sei Krankenschwester und Journalistin geworden, Florence Mahoney eine anerkannte Historikerin, Ruby habe vor ihrer Pensionierung als Verwaltungsbeamtin bei den Vereinten Nationen gearbeitet und Alaba sei vor ihrem Tod prominent in der Filmindustrie tätig gewesen.
"Die Familie Peters hat die intellektuellen Interessen ihres Sohnes gefördert." Peters habe die St. Mary's Primary School und die Methodist Boys' High School in Bathurst (heute: Banjul) besucht. 1949 sei er einem zweijährigen Wissenschaftsprogramm der Prince of Wales School in Freetown, Sierra Leone, beigetreten.

1953 sei Peters nach England gezogen, wo er 1955 am Cambridger Trinity College mit Auszeichnung graduiert habe. Auf die Frage, warum er Arzt geworden sei, habe er in einem Interview geantwortet: "Seltsam genug, als ich jung war, waren nur zwei Professionen akzeptabel. Die eine war Medizin, die zweite Recht. Die Leute meinten, ich würde Arzt werden und ich erbte sozusagen dieses Konzept."
1969 beendete Lenrie Peters seine Arztausbildung und war als Chirurg am Northampton General Hospital tätig.

In seinen Englandjahren habe Peters freiberuflich für die Sender BBC (World Service) und African Service gearbeitet und zudem in Amateur-Musicals und -Operas gesungen. Dabei habe er seine spätere englische Frau Rosmary getroffen. Nach zwei Jahren Ehe sei diese in den Spätsechzigern geschieden worden.

Schon während der Studienzeit in Cambridge habe Peters mit dem Schreiben begonnen, zunächst Gedichte und Stücke, dann den Roman The Second Round, der 1965 veröffentlicht wurde. Das Buch sei ein halb-autobiografischer Roman über einen Arzt, der nach Studium und der Tätigkeit als praktizierender Arzt in England nach Freetown, Sierra Leone, zurückkehrt. Da er sich inzwischen genau so wie Afrika verändert hatte, fühlte er sich seiner heimatlicher Kultur und der afrikanischen Gesellschaft entfremdet.

Die Reaktionen zum Roman The Second Round seien gemischt gewesen und der Roman sei, zumindest was die afrikansichen Leser anging, nicht beachtet worden. "Anders als vieles der afrikanischen Belletristik der 1960er war The Second Round weder auf die afrikanische Kultur und Tradition fokussiert noch ein gegen den Kolonialismus gerichteter Protest. Tatsächlich war Peters einer der ersten afrikanischen Romanciers, der sein eigenes Land und den Zerfall seiner Kultur kritisierte."

Kritiker des Buches lasteten ihm an, dass es Individuen anstelle der afrikanischen Gesellschaft in den Mittelpunkt stellte und dass es eine poetische Sprache benutzte, um die Emotionen seiner Charaktere zu vermitteln. "Insbesondere schien Peters Mann-Frau Beziehungen in einem westlichen Kontext zu portraitieren und einige Kritiker behaupteten, dass sie weitaus britischer klangen als afrikanisch. In seinem Buch The Emergence of African Fiction (Das Entstehen der afrikanischen Belletristik) habe Charles R. Larsen - nachdem er allgemein auf die Situation des schwarzen Künstlers eingegangen sei - geschrieben, dass "Peters einfach nur die erste afrikanische Horrorgeschichte geschrieben hat, den ersten afrikanischen Schauerroman."

1964 war Peters erste Gedichtsammlung in Ibadan, Nigeria, veröffentlicht worden. Den Gedichten von jugendlicher Liebe und Melancholie habe es noch an der Ironie und der Wut des späteren Werks gemangelt. "Nichtsdestrotz drückten sie den Kummer, die Einsamkeit und die Hoffnungslosigkeit exilierter Afrikaner aus, die sowohl der traditionell-afrikansichen wie auch der westlichen Kultur entfremdet waren."

Vier Jahre nachdem die britische Kolonialherrschaft 1965 in Gambia beendet war, sei Peters in die gambische Hauptstadt Banjul zurückgekehrt, wo er als Regierungsangestellter im Bansang Hospital als Chirurg tätig war. 1972 habe er gemeinsam mit Dr. Palmer die Westfield Klinik in Kanifing, die erste Privatklinik des Landes, eröffnet.

In der Folge geht The Gambia Echo ausführlich auf die weiteren Gedichtbände des Verstorbenen ein, bevor es zu Peters Biografie zurückkehrt.

In den Jahren 1981 bis 1999 habe Peters als Leiter einer Landwirtschafts- und Exportfirma gearbeitet, die u.a. Gemüse und Mangos ins Vereinigte Königreich exportierte. Nachdem 1994 Yahya Jammeh mit einem Militärcoup die Macht in Gambia übernommen hatte, setzte er Peters als Vorsitzenden des National Consultive Committee (NCC) ein, von dem sich Jammeh das Eintreten für eine vierjährige Übergangszeit bis zur Errichtung der konstitutionellen Demokratie erhoffte. Im Januar 1995, weniger als zwei Monate nach seiner Bildung, habe der NCC seinen Bericht eingereicht. Entgegen Jammehs Hoffnungen habe der NCC eine zivile Übergangsregierung mit in zwei Jahren abzuhaltenden Wahlen gefordert.

Vom Africa News Service gefragt, wie er der Gesellschaft in Erinnerung bleiben wolle, habe Peters geantwortet: "Wenn sie sich überhaupt an mich erinnern wird, ich habe doch nur das Beste versucht, um dem gambischen Volk zu helfen und die Welt als einen besseren Ort zu verlassen, als ich ihn vorgefunden habe." .
· (Daily Observer, Gambia, www.senegambianews.com, www.thegambiaecho.com, ÜEK: J.K.)

Quelle:
Daily Observer, englischspr. Tageszeitung, Gambia   (Daily Observer, Gambia)
www.senegambianews.com,
www.thegambiaecho.com
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Anmerkungen:
* inkl. arabischer Raum
ÜEK: J.K. --> Aus dem Englischen übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©


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