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2011 |
Januar - März |
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14.-18
Januar |
2011 |
"Eine
Nacht in Tunesien":
schreibt der 1974 in Al Manafikh geborene tunesische Schriftsteller
Kamel Riahi in seinem Blog.
"Es ist Freitag, der 14. Januar, in der Innenstadt von
Tunis. In den Straßen schreien wir 'Nein!' - eine Million
Stimmen vereint gegen die 23 Jahre währende Diktatur
von Präsident Zine el-Abidine Ben Ali. Tränengas,
Kugeln und Tod um uns herum. Wir geraten in einen Hinterhalt
an der Barcelona Metrostation, einem der Verkehrsknotenpunkte
der Stadt und werden mit Tränengas angegriffen. Ich schütze
mich selbst mit einem schwarzen Halstuch, als ich die Avenue
Bourgiba hinunterrenne, die die Touristen den tunesischen
Champs-Élysées nennen. Dort begegnen wir Knüppeln
und Gewehren.
Jeden Atemzug zählend, ducken wir uns vor den Kugeln
weg, während wir an mehreren Wohnblöcken vorüberrennen,
bis wir auf eine Mauer von Polizeioffizieren in Zivil rennen.
Sie befehlen uns schroff in eine nahe gelegene Metrostation,
drängen uns in Züge und nehmen Stellung an jedem
Ende ...".
(...)
"Am Montag wird uns erzählt, dass eine neue
'Einheits-'Regierung gebildet wurde. Als die Tunesier bemerken,
dass einige Mitglieder des alten Regimes für das Kabinett
ausgewählt wurden, gibt es eine neue Unruhewelle und
die Menschen beginnen zu argwöhnen, dass die Revolution
ihnen genommen wurde."
"Am Dienstag gehen die jungen Menschen erneut auf die
Straße und verlangen die Auflösung von Ben Alis
Partei ... Obwohl ich zustimme, dass es unmöglich sein
werde die Partei auzulösen, ohne das Land in Chaos zu
versetzen, denke ich, wir haben keine andere Wahl, als es
zu versuchen."
"Am Ende des Tages sind mindestens fünf Minister
von ihren Posten zurückgetreten und niemand weiß,
was als nächstes kommen wird."
(...)
"Was mich angeht, fühle ich ein überwältigendes
Glücksgefühl darüber, dass ich nun in der Lage
sein werde, frei zu schreiben. Vor anderthalb Jahren wurde
einer meiner Romane, der das Leben während der Zeit der
Unterdrückung beschreibt, als Theaterstück am hiesigen
Kulturcenter aufgeführt. Die daran Beteiligten wurden
permanent von der Polizei überwacht; keiner der anwesenden
Journalisten veröffentlichte eine Kritik."
Vgl. kamelriahi.maktoobblog.com - ÜE:
J.K.)
- Am 18. Januar wurde der vollständige Beitrag in der
New York Times veröffentlicht.
Kamel Riahi Publikationen umfassen zwei Kurzgeschichtensammlungen
sowie die beiden Romane Al-Mishrat (Das Skalpell)
und Der Gorilla.
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20.
Januar |
2011 |
Taoufik
Ben Brik meldet Kandidatur für Präsidentschaft an.
Der tunesische Journalist und Schriftsteller Taoufik Ben Brik
meldet in dem französischen Wochenblatt Le Nouvel Observateur,
das Jahre lang seine regimekritischen Artikel veröffentlichte,
seine Absicht an, als Kandidat für das Amt des tunesischen
Präsidenten anzutreten.- Vgl. Nouvelle Observateur v. 20.01.2011
Bereits kurz nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis (→
siehe
Notiz in der Landeschronik Tunesien) im vergangenen Jahr
hatte Ben Brik bei einem Treffen von Reporters sans frontières
in Paris angekündigt, er werde für die Präsidentschaft
im Jahre 2014 kandidieren, da Präsident Ben Ali zu diesem
Zeitpunkt das laut Verfassung vorgeschriebene Alter für
die Kandidatur überschritten haben würde.
Veröffentlichungen:
- Et maintenant, tu vas m'entendre (Und jetzt wirst du mich
anhören), Tunis/Paris 2000
- Le rire de la baleine (Das Lachen des Wals). Paris 2000
- Une si douce dictature. Chroniques tunisiennes 1991-2000 (Eine
so sanfte Diktatur. Tunesische Chroniken 1991-2000). Paris 2001
- Chronique du mouchard (Die Chronik eines Spitzels). Paris
2001 - Ben Brik Fi El Kasr. Tunis 2001
- Ben Brik président suivi de Ben Avi la momie (Präsident
Ben Brik, gefolgt [in der Nachfolge?] von Ben Avi der Mumie).
Paris 2003
- The Plagieur. Paris 2004 |
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28.
Januar |
2011 |
100.
Geburtstag des in Tazarka, Tunesien, geborenen Schriftstellers
und Politikers →
Mahmoud
Messaâdi.
Mahmoud Messaadi ist 2004 im Alter von 93 Jahren gestorben.
1975 gründete der tunesische Politiker und Autor das Magazin
La vie culturelle. Als Politiker bekleidete er u.a. das
Amt des Kulturministers. Zu seinen Werken zählen Bücher
wie Maouled en’nessyèn (1974, Die Geburt des Vergessens)
oder das sprachwissenschaftliche Werk Thèse sur l’esthétique
et la syntaxe dans la langue arabe. |
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2011 |
Ahdaf
Soueif am Tahrir Square
Die in London und Kairo lebende ägyptische Schriftstellerin
und Journalistin → Ahdaf
Soueif hält sich neben vielen anderen Kunstschaffenden
und Literaten um die Zeit von Mubaraks Rücktritt auf dem
Tahrir Square auf. Ihre Berichte werden zeitnah im brit. Guardian
Online veröffentlicht. Zwei ihrer Artikel erscheinen
an diesem historischen Tag und beschreiben die Gefühle
unmittelbar vor und nach dem Rücktritt des gehaßten
Präsidenten.
Der erste, Egypt protests: The feeling in Tahrir Square
was one of disbelief, spricht von Unglauben nachdem sich
Mubarak erneut geweigert hatte, zurückzutreten, Ahdaf beschreibt
die Athmosphäre, indem sie die Stimmen zitiert: "Er
geht nicht? Was zum Teufel will er?" Und unmittelbar nach
dem Rücktritt am 11. Februar nachmittags, heißt es
Hosni Mubarak resigns: 'Look at the streets … This
is what hope looks like', "Er tritt zurück, schaut
in die Straßen ... so sieht Hoffnung aus!". |
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Februar |
2011 |
Juan
Tomás Ávila Laurel im Hungerstreik
Aus Protest gegen das diktatorische Regime von Präsident
Teodoro Obiang Nguema Mbasogo in seinem Heimatland →
Äquatorialguinea
tritt der international renommierte Schriftsteller Juan Tomás
Ávila Laurel am 11. Februar in einen Hungerstreik. Zuvor
hatte er anlässlich eines offiziellen Besuchs einer spanischen
Abgeordnetendelegation unter der Leitung des Parlamentspräsidenten
José Bono einen offenen Brief an diesen gerichtet mit
der Aufforderung, politischen Druck auf die korrupte Elite seines
Landes auszuüben.
Am 18. Februar bricht er den Hungerstreik ab, ohne sein eigentliches
Ziel, wohl aber internationale Beachtung für die Verhältnisse
in seiner Heimat erreicht zu haben. - Anschließend verlässt
er sein Land und geht ins spanische Exil, nach Barcelona.- Vgl.
El País v. 19.02.2011 und The Guardian v. 20.02.2011. |
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zeit
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los |
Afrikanische und arabische Sprüche und Weisheiten:
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28.
Februar |
2011 |
Heute
vor 20 Jahren erschien erstmalig die Printausgabe der Yemen
Times,
der ersten englischsprachigen Zeitung des Landes.
Die Gründung erfolgte 1990, im Jahr der Vereinigung der
beiden jemenitischen Staaten, durch den Ökonomen und Menschenrechtsaktivisten
Prof. Abdulaziz Al-Saqqaf; nach einer mehrmonatigen Anlaufphase
erschien die Yemen Times zweimal wöchentlich, montags
und donnerstags.
In der Selbstdarstellung der Zeitung hieß es: Sie "unterstützt
Pressefreiheit, den Respekt für Menschenrechte, politischen
Pluralismus und Demokratie. Sie fördert Nichtstaatliche
Organisationen (→ NGOs)
und andere Organisationsformen der Zivilgesellschaft. An der
ökonomischen Front unterstützt sie Liberalisierung
und die Interaktion mit anderen Nationen" (Auszug, vgl.
Yemen Times). |
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3.
März |
2011 |
In England
erscheint Anatomy of a Disappearance (dt: Geschichte
eines Verschwindens. München 2011).
Es ist zweite Buch des libyschen Autors Hisham Matar. Wie schon
das Erstlingswerk Das Land der Männer trägt
auch dieser Roman autobiografische Züge. Hintergrund ist
das Verschwinden seines Vaters, der von →
Ägypten,
wohin die Familie geflohen war, nach → Libyen
ausgeliefert wurde, um dann für zwei Jahrzehnte unauffindbar
zu sein.
Die Onlineausgabe der FAZ lässt Hisham Autor in der Übersetzung
von Michael Bischoff am heutigen Tag zu Wort kommen:
"In den letzten Tagen hat sich etwas Grundlegendes verändert.
Ich spüre es im ganzen Körper. Ich habe nicht in den
Spiegel geschaut, aber vor meinem inneren Auge sehe ich, dass
die Traurigkeit im Blick gewichen ist. Muammar al Gaddafi, der
Libyen in den letzten 42 Jahren heimgesucht hat, ist immer noch
da, doch die Geschichte hat ihn überholt. Man kann sich
Libyen unmöglich weiterhin mit ihm vorstellen.
In den letzten 32 Jahren, seit dem Tag, als meine Familie Libyen
verließ, habe ich mich immer verstohlen umgeschaut. Ich
erinnere mich an unsere Ankunft in Heathrow nach einem Flug,
auf dem ich meinen lieben Vater immer wieder wegen seiner neuen
Haarfarbe geneckt hatte. Dort hörte ich, wie ein Mann,
der in der Ankunftshalle wartete, einem anderen zuflüsterte:
'Wie sieht dieser Jaballa Matar eigentlich aus?' Er sprach mit
einem libyschen Akzent. (...)" |
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2011 |
Internationaler Arabischer Belletristik-Preis - International
Prize for Arabic Fiction - erstmalig geteilt
Die Preisträger sind der Marokkaner Mohammed Achaari mit
The Arch and the Butterfly und die saudische Schriftstellerin
Raja Alem mit The Doves’ Necklace. |
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18.
März |
2011 |
Wenige
Tage vor seinem 60. Geburtstag, stirbt der algerische Schriftsteller
→ Hamid
Skif nach langer Krankheit.
Bis zu seinem Tod lebte er mit seiner Frau und seinen vier Kindern
in Hamburg, wohin sich der Exilant im Jahre 1997 rettete, da
er in seiner Heimat der ständigen Bedrohung durch einen
islamistischen Anschlag ausgesetzt war. |
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2011 |
"Hoffnungsschimmer
für gequälte Witwen in Nyanza",
überschreibt
Nicholas Anyuaor seinen Artikel im englischsprachigen Standard
aus Kenia.
Florence Ataro Achieng,
eine 41-jährige Mutter von sechs Kindern, leitet er seinen
Bericht ein, sei in einen Streit mit der Verwandtschaft ihres
Bruders verwickelt, in dem es um Land gehe, "das sie
ihr wegschnappen wollen".
(...)
Ihre Zwangslage ähnele
tausenden solcher Vorfälle, stellt Nicolas Anyuar fest,
bei denen Witwen schlecht behandelt würden. Viele von
ihnen würden gegen ihren Willen vererbt, schreibt er,
ohne zu erklären, was es heißt, wenn jemand "vererbt"
wird.
→ mehr dazu
·
(The Standard Kenya, ÜER:
J.K.) |
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Anmerkungen:
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inkl. arabischer Raum
ÜEK: J.K. --> Aus dem Englischen
Übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©
ÜFK: J.K. --> Aus dem Französischen
übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©
ÜER.B/J.K. --> Übersetzung
aus dem Englischen: Ruth Bushart; Kommentier: Janko Kozmus©
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Quellen
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Sach-
und Personenregister |
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