DIE MARABOUT-SEITE
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Chronik (1901-2019)

Zur Sozial- und Literaturgeschichte Afrikas * von innen und außen 

Tageschronik: 26. November 2011

 

· Die MARABOUT-SEITE zitiert aus Kenia ·  


"Die Gefahr feministischer Literatur",

überschreibt der - männliche - Berichterstatter Silas Nyanchwani seinen Artikel für die englischsprachige kenianische Tageszeitung The Daily Nation.

Chinua Achebe, Wole Soyinka und Ngugi wa Thiong'o seien zweifellos die Väter der afrikanischen Literatur.

"Obgleich ihre Bücher sehr populär wurden, konnten sie einer Sache nie ausweichen, dem Einwand der Feministinnen, die den weiblichen Charakter unterdrückt und ihre Präsentation durch den einseitig männlichen Blick der männlichen Autoren verfälscht sahen."

Wohl hätten diese Väter keine auktoriale Verpflichtung gehabt, die Geschichte unter gebührender Beachtung der Vertretung der Geschlechter zu erzählen. Dies wäre sicherlich durch die afrikanische Geschichte des vorkolonialen, kolonialen und post-kolonialen Afrikas außer Kraft gesetzt gewesen.
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Zum Glück habe Achebe Frauen ermuntert, ihre (eigenen) Geschichten zu
schreiben, was viele Schriftstellerinnen wie → Flora Nwapa, Ama Ata Aidoo,  Buchi Emecheta, Grace Ogot, Marjorie Oludhe Macgoye und andere anspornte, die Geschichte der Frau in Afrika zu erzählen und nicht notwendigerweise aus einer feministischen Perspektive heraus. Mariama Bas So Long a Letter (dt: Ein so langer Brief) setzte einen neuen Maßstab.

Erbschaft des Patriarchats

Die Bücher, die diese Frauen schrieben, seien ausgiebig gelesen worden und stärkten ( "empower"**) die Stellung der modernen Frau, während diese die schlimmsten Erbschaften des Patriarchats angriffen.

"Sie bekämpften Verwitwung, das Problem Mutterschaft, Familie, Karriere und Bildung in Einklang zu bringen und forderten tatsächlich den männlichen Autor heraus, den das Unglück traf, als Chauvinist gebrandmarkt zu werden, wann immer er etwas Sexistisches über Frauen schrieb."

Lange Zeit sei Literatur von Frauen nicht ernsthaft kritisiert worden, da ihr unterstellt worden sei, hinterherzuhinken.

Während die Frauen den männlichen Charakter reichlich manipuliert hätten, um zu zeigen, wie sie herabgesetzt worden seien, sowohl in der Fiktion wie im wirklichen Leben, "war es intellektuell modisch, zuzustimmen, wenn auch widerwillig, dass sie das Recht hatten, so viel Schlechtes über Männer zu schreiben wie möglich".

"Die Tatsache, dass Männer alle Spitzenpositionen im Berufsleben und in der Politik innehatten und Frauen härter arbeiten mussten, um die unsichtbare Barriere, die sie am Weiterkommen hinderte, zu überwinden, war sehr hilfreich, um ihre Erzählhaltung zu verändern."

"Aber kaum ein halbes Jahrhundert später", stellt der Berichterstatter fest, "und das Blatt hat sich gewendet".

Bei fortwährender unterstützender Stärkung der Frauen würden die Männer ihrer Stärke beraubt und "wenn wir das nicht rechtzeitig korrigieren, schaffen wir ein 'Durcheinander'".

Im urbanen Umfeld höre man lautes Murren, es gebe keine Männer mehr. Der gegenwärtig herangezogenen Männergeneration werde vorgeworfen, "weniger Mann zu sein". Ohne Interaktionsfähigkeiten und zu Hause hängend mit Videospielen, Fußball- und Social Media, fehlten dem Mann selbst die Fähigkeiten des Umgangs mit Frauen.

Laut Soziologin Agnes Zani von der Universität Nairobi erstarkte in der Vergangenheit die Haltung der Frauen, während Männer nichts getan hätten. Die meisten Männer seien ohne eine Vaterfigur aufgewachsen und hätten keine Ahnung vom Umgang mit der modernen, selbstbewussten Frau."

Die erstarkte Frau neige dazu, all die bekannten negativen männlichen Züge zu übernehmen. Sie rauche, trinke, unterstütze eine Fußballmannschaft, fahre offensiv und sei übermäßig aggressiv.

"Auf lange Sicht haben wir eine Frau, die alle Attribute eines Mannes aufweise - und in der Regel verdientermaßen."

Aber was sei mit den Jungen?, fragt der Berichterstatter rhetorisch. Fernsehen, zahlreiche Magazine und das Bildungssystem haben den Frauen zu viel Aufmerksamkeit gezollt. Es sei nun an den Frauen und an diesem Punkt sollten männliche Autoren und jeder, den es angehe, beginnen, die Jungen zu stärken.

Fehlgeleitete Männlichkeit

Und das bedeute nicht, verschärft chauvinistische und fehlgeleitete Männlichkeit. "Es bedeutet die Korrektur der Wahrnehmung, dass alle Probleme von Frauen durch Männer verursacht worden sind."

"Wir können die Schuld der Geschlechterungleichheit als die neue Generation nicht allein schultern, mehr als nur die heutige Generation der Deutschen muss die Schuld Hitlers schultern."

"Sie sagen, dass wir sie in Musikvideos zu Objekten degradieren, aber bisher hat nie jemand angenommen, dass sie das gleiche erotische Vergnügen (wie die Männer) aus dem Dirty Dancing ableiten, dass sich jetzt in den Clubs öffentlich abspielt."

Zunehmend viele Musikvideos zeigten jetzt Männer, die nur gut durchtrainierte Körper und Muskeln zu zeigen und obendrein nach Frauen zu sehen haben. Dies sei jedoch die gleiche Degradierung zu Objekten, an der die Frauen Anstoß genommen hätten.
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Eine Zeit werde kommen, mahnt abschließend der Berichterstatter, da Männer keine Stimme mehr haben werden. "Sollte nicht ein anderes, kreatives Empowerment anbrechen, wird die Zukunft nicht rosig sein." (Daily Nation,
ÜEK: J.K.)

Quelle:
The Daily Nation, Kenya (Daily Nation)

Anmerkungen:
* inkl. arabischer Raum
**"dis/empower/ed/ing" - Dieser Begriff wird - in der Hoffnung, die weit gefächerte Konnotation wie "Unterstützung oder Förderung zu Selbbestimmung, Selbstverwantwortlichkeit" etc. zumindest tendenziell zu erfassen - mit dem Hilfsbegriff "stärken", "erstarkt" übersetzt. Das Substantiv "empowerment" wird als Fremdwort ins Deutsche übernommen, da es - zumindest in der Fachliteratur - auch hierzulande Eingang gefunden hat.

ÜEK: J.K. --> Aus dem Englischen Übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©


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