DIE MARABOUT-SEITE
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Chronik (1901-2019)

Zur Sozial- und Literaturgeschichte Afrikas * von innen und außen 

Tageschronik: 4. Mai 2006

 

· Die MARABOUT-SEITE zitiert aus Liberia ·  


»Erneuter Tod in Bong«,

heißt es in einem Artikel der liberianischen Tageszeitung The Analyst und im Untertitel: »Einwohner von Furcht ergriffen - unbekannte Täter - noch keine Verhaftungen durch die Polizei«.

Gbarnga, der städtische Verkehrsknotenpunkt im zentralen Hochland Liberias, neben der Hauptstadt Monrovia als Schmelztiegel bekannt, habe kürzlich wegen »ungeklärter Tode von Frauen, Kindern und älteren Menschen traurige Berühmtheit« erlangt.

Vor der Hintergrund der ansteigenden Zahl unbekannter Toter erscheine die »Polizei perplex«. Die Tode in den vergangenen Monaten seien auf Selbstmord, versehentliche Gewehrschüsse von Jägern, auf Entführung durch unbekannte Männer und auf offenen Mord durch Gewalt und Missbrach durch Bedienstete zurückzuführen.

Nach dieser einleitenden Erklärung kommt der ungenannte Berichterstatter auf den Anlass des Artikels zu sprechen: »Nun hat sich ein neuer Mord ereignet und zusammen mit Dutzenden früherer Fälle wird er von der Polizei untersucht.«

Der Reporter Marcus N. Malayea, heißt es weiter, habe aus der Region Gbarnga Bong übermittelt, dass der Leichnam eines unbekannten Mannes kürzlich nahe der Dolokelen Gboveh High School in Gbarnga City auf dem Wasser treibend entdeckt worden sei.

Bis zum Redaktionsschluss habe die Polizei in Gbarnga City das Opfer weder identifizieren noch die Gründe klären können, warum der Körper im Wasser trieb.

Eine 15-köpfige von der Polizei und der Kreisverwaltung einberufene Jury sei jedoch vor einigen Tagen zu dem Schluss gelangt, der Mann sei an Trunkenheit gestorben.

Woher der Tote gekommen sei, habe die Jury nicht angegeben, jedoch konstatiert: »Er ist beim Versuch, die schmale Brücke zu überqueren, ausgerutscht und in den Fluss gefallen. Es gibt weder Anzeichen von Verletzungen noch fehlen Körperteile«, womit der Report des Komitees darauf hinweise, dass der »Tod nicht im Zusammenhang mit Ritualen« stehe.

Mithilfe von Interviews habe The Analyst herausgefunden, dass der »Tote ein Kautschukzapfer war, auch wenn die Interviewten nicht angeben konnten, wo er angestellt war«.

The Analyst brachte des weiteren in Erfahrung, dass der Tote aus einem Dorf namens Clarke Farm gerufen worden sei, das am Rande von Gbarnga liegt. Der unbekannte Mann, dessen treibender Körper von Passanten in den frühen Morgenstunden am Montag, den 1. Mai 2006 gefunden worden sei, habe lt. Augenzeugen kurze, halb zerrissene Nylonhosen, aber kein Hemd getragen.

Ihren Angaben zufolge war »der Körper tief ins Wasser getaucht, wobei der Kopf fast den Flussgrund berührte«. Während der Todesnacht fiel ein sintflutartiger Regen, doch weder die Jury noch die Passanten hätten angeben können, ob und inwieweit dieser zum Tode beigetragen habe.

Beim Sammeln von Informationen, die zur Identität des Opfers hätten beitragen können, habe sich eine grundlegende Schwierigkeit gezeigt. Die Einwohner befürchteten, dass jedes Angebot einer Erklärung zur Folge haben würde, die Polizei würde von ihnen verlangen, »zur Untersuchung bei(zu)tragen«, ein in Liberia gebräuchlicher Ausdruck der Polizei, der solche Personen als »Verdächtige« abstempele.

Bislang habe die Polizei noch keine Festnahme im Zusammenhang mit dem Tod des Unbekannten vorgenommen, bei dem L$ 60 in der Tasche gefunden worden seien. Vermutlich sei er in der Unglücksnacht aus der Gemeinde Jorkpenmue gekommen, eine der größten mit Zuckerrohrsaftproduktion im Gebiet von Gbarnga.

Der Leichnam sei inzwischen beerdigt worden, während die Polizei die Untersuchungen fortführe. Mit der Entdeckung des unbekannten Körpers, konstatiert der Berichterstatter von The Analyst, erhöhe sich die Zahl von ungeklärten Todesfällen, die aus Gbarnga und Umgebung berichtet wurden, auf ein Dutzend.

Man erinnere sich nur an Juni 2005, als der verstümmelte Körper einer Mary Kolleh nahe Sgt Kollie Town, im Bezirk Suakoko, entdeckt worden sei und kurz darauf der Körper von Garmai Kolo in Bawoqulleh, ebenfalls im Bezirk Suakoko.

Der Bericht zählt in der Folge weitere Fälle auf: einen Selbstmord, den Mord eines eifersüchtigen Ehemannes an seiner Ehefrau, den Fall eines unbekannten alten Mannes, der vermutlich an Hunger gestorben und ein anderer Mann, der an den Verletzungen gestorben sei, die ihm von Unbekannten in Gbarnga zugefügt worden waren, der Fall einer Krankenschwester die von Unbekannten unter einem Vorwand weggelockt und eines Mannes, der während seiner Festnahme durch Bürger - auch ihm wurde Mord angelastet - ermordet worden sei.

All diese Tode, so »Beobachter«, wiesen darauf hin, dass »die Region Bong seit dem Ende des Krieges eine Brutstätte für Todesfälle mit ungeklärtem oder trivialem Hintergrund geworden ist«.

Es sei unklar, »was für die Gewalt in dieser Region verantwortlich ist«, aber es gebe Vermutungen, so der verblüffende Schluss, dass sie »im Zusammenhang mit der Tatsache stehen, dass Gbarnga das Hauptquartier der berüchtigten National Patriotic Front of Liberia gewesen ist«.

Während der Besetzung von Gbarnga durch Rebellenorganisationen habe sie junge Menschen rekrutiert und dazu benutzt, »einen Krieg zu kämpfen, der den meisten von ihnen nichts brachte«. · (Analyst, Liberia, ÜEK: J.K.)

Quelle:
Quelle:
THE ANALYST, englischspr. liberianische Tageszeitung (Analyst, Liberia )

Anmerkungen:
* inkl. arabischer Raum
ÜEK: J.K. --> Aus dem Englischen übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©


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