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TAHAR BEN JELLOUN
( * 1944)
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Literarisches Portrait: Tahar Ben Jelloun – Teil I

DAS AKTUELLE BUCH
BEN JELLOUN
PAPA; WAS IST EIN TERRORIST
--> Zum Inhalt

Kritischer Blick auf das literarische Schaffen von Tahar Ben Jelloun

Der 1944 in Fes geborene marokkanische Autor Tahar Ben Jelloun genoss mit der marokkanischen und der französischen eine zweisprachige Grundschulausbildung. Die gymnasiale Bildung erfolgte jedoch vorwiegend in französischer Sprache, eine Tatsache, die sein späteres Leben maßgeblich beeinflussen sollte.

Vor seiner ersten Romanpublikation - Moha le fou, Moha le sage (dt: Der Gedächtnisbaum, 1989) im Jahre 1978 veröffentlichte der junge Autor bereits Gedichte und betätigte sich als Herausgeber einer Gedichtanthologie.

Der Roman  Der Gedächtnisbaum verhalf Tahar Ben Jelloun in Frankreich zum literarischen Durchbruch. Die Hauptfigur Moha ist im Maghreb wohl bekannt. Moha der Verrückte, Moha der Weise schläft auf einem Baum, dem Baum der Erinnerung und erzählt seine Geschichten. Den besonderen Reiz dieses Buches – wie auch der nachfolgenden Romane – macht das Nebeneinander von oft erbarmungsloser Realität und poetischer Phantasie aus. Dabei spart der Autor auch Themen wie Homosexualität oder Unterdrückung der Frau, die in der arabischen Welt zum Teil noch immer tabuisiert sind, nicht aus. 

Nach erfolgreich abgelegtem Abitur nimmt Ben Jelloun ein Studium der Philosophie an der Universität in Rabat auf. Dieses wird 1965 unfreiwillig unterbrochen. Wegen des Verdachts, die Demonstrationen von Studenten und Arbeitslosen für mehr Demokratie vom März 1965 organisiert zu haben, wird Tahar Ben Jelloun, gemeinsam mit 94 anderen Studenten, in militärische Straflager zwangsversetzt, zunächst nach El Hajeb, dann nach Ahermemou, im Osten Marokkos. Nach anderthalb Jahren wird er entlassen und kann sein Studium 1968 wieder aufnehmen.

Im Oktober desselben Jahres beginnt er mit der Tätigkeit als Philosophielehrer am Gymnasium Charif Idrissi in Tétouan, wird jedoch nach Casablanca, ans dortige Gymnasium - Mohamed V. - versetzt.
Bald darauf verfügt das Innenministeriums, den Philosophieunterricht an Gymnasien zu arabisieren. Da er dafür nicht ausgebildet ist, entschließt sich Tahar Ben Jelloun seine Heimat zu verlassen. Am 11.9.71 kommt er in Paris an, findet in einem Studentenwohnheim Aufnahme und wird durch eine karitative Organisation mit monatlich 500 Francs unterstützt.

Ab 1972 schreibt Ben Jelloun für die französische Zeitung Le Monde, veröffentlicht Gedichte und Romane und wird mehrfach ausgezeichnet. 1987 wird er für La Nuit sacrée (dt: Die Nacht der Unschuld, 1991) mit dem wohl angesehensten französischen Literaturpreis geehrt, dem Prix Goncourt; 2004 folgt für den Roman Das Schweigen des Lichts der hoch dotierte irische Literaturpreis IMPAC.

Großes Aufsehen erregt Tahar Ben Jelloun international mit zwei Büchern, in denen er einmal den Rassismus und zum anderen den Islam kindgerecht aufbereitet: Le Racisme expliqué à ma fille (1997; Papa, was ist ein Fremder? 1999) und das im Jahre 2002 erscheinende Buch L'Islam expliqué aux enfants, das noch im selben Jahr in deutscher Übersetzung (Papa, was ist der Islam?) auf den Markt kommt. Grundlage beider Bücher sind die Gespräche mit seiner Tochter Mérième. Spätestens seit diesen Veröffentlichungen wird er nicht allein im eigenen Lande, sondern auch bei uns als Kenner nicht nur der marokkanischen sowie der gesamten arabischen Literatur als Ratgeber hinzugezogen, sondern auch, wenn es sich um die meist komplexen politischen Angelegenheiten arabischer Länder handelt. Ob es um das Schwerpunktthema "Arabische Liga" der Frankfurter Buchmesse 2004 oder die jüngsten sozialpolitischen Umstürze des sog. Arabischen Frühlings (Vgl. L'étincelle a.a.O.) geht, immer wird seine Meinung - auch von schwergewichtigen bundesdeutschen Medien - nachgefragt.

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Mit den Themen Einwanderung und Rückkehr berühren vieler seiner, zum Teil eng an die eigene Biografie angelehnte Bücher die beiden Kulturen, in denen sich auch der Autor, der jährlich mehrere Monate in seiner Heimat verbringt, zeitlebens bewegt, die arabisch-marokkanische und die europäisch-französische.

07/2012 © by Janko Kozmus

Zum II. Teil des Portraits

DATEN UND FAKTEN

1944
Am 1. Dezember wird Tahar Ben Jelloun in Fes, Marokko, geboren.

1940er
Besuch einer Koranschule.

1950er
Besuch einer zweisprachigen (marokkanisch-französischen) Grundschule in Fes.

1955
Umzug der Familie nach Tanger, weiterhin Besuch der Grundschule.

1956
Eintritt ins Gymnasium Ibn Al Khatibr, vorwiegend französischspr. Unterricht. Nach Abschluss Wechsel ins französischspr. Gymnasium Regnault.

1963
Erfolgreicher Abiturabschluss.

1960er
Studium der Philosophie an der Universität in Rabat.

1965
nimmt Tahar Ben Jelloun an der Studentenrevolte teil.

Juli 1966
Unfreiwillige Unterbrechung des Studiums: Wegen des Verdachts, die Demonstrationen vom März 1965 organisiert zu haben, wird Tahar Ben Jelloun, gemeinsam mit 94 anderen Studenten, in militärische Straflager zwangsversetzt, zunächst nach El Hajeb, dann nach Ahermemou, im Osten Marokkos.

Januar 1968
Entlassung aus dem Militärlager, Wiederaufnahme des Studiums.
Oktober
Absatz Beginn der Tätigkeit als Philosophielehrer am Gymnasium Charif Idrissi in Tétouan.
Bibliografische Angabe L'Aube des dalles, erste Veröffentlichung eines Gedichts (das er heimlich in einem der Militärcamps verfasst hatte) im Magazin Souffles.

1970
wird Tahar Ben Jelloun nach Casablanca, ans dortige Gymnasium Mohamed V., versetzt.

1971
verlässt Tahar Ben Jelloun seine Heimat Marokko und geht nach Frankreich[0].
Bibliografische Angabe Hommes sous linceul de silence (Menschen unter einem Leichentuch des Schweigens), Gedichte. Casablanca.

1972
Bibliografische Angabe Cicatrices du soleil (dt: Narben der Sonne), Gedichte. Paris.
Bibliografische Angabe Technique d'un viol (Die Technik einer Vergewaltigung), erste Veröffentlichung in Le Monde des Livres. Eine Polemik gegen Paul Bowles[1].

1973
Bibliografische Angabe Harrouda (dt: Harrouda, Übersetzung: Horst Lothar Theweleit. Berlin, DDR 1985. Berlin 1990. Reinbek 1993.), Roman. Paris
Bibliografische Angabe La Réclusion solitaire (Einzelhaft), Roman. Paris.

1974
Bibliografische Angabe Grains de peau. Asilah ... mémoire d'enfance (Körner der Haut. Asilah ... Kindheitserinnerungen), Gedicht. Casablanca.
Absatz Tahar Ben Jelloun arbeitet an einer Reportage über die Pilgerfahrt nach Mekka für Le Monde, die als dreiteilige Serie im Januar des folg. Jahres erscheint.

1976
Bibliografische Angabe Les amandiers sont morts de leurs blessures (dt: Die Mandelbäume sind verblutet. Übersetzung: Helmut T. Heinrich. Mainz 1996 u. Berlin, Weimar 1979) Gedichte. Paris.- Gedichte und Kurzprosa zu den Schwerpunktthemen Liebe und Tod.
Bibliografische Angabe La Mémoire future. Anthologie de la nouvelle poésie du Maroc (Das zukünftige Gedächtnis. Anthologie der neuen marokkanischen Poesie). Paris.
Bibliografische Angabe Chronique d’une Solitude (Chronik einer Einsamkeit), Theaterstück.
Absatz
Tahar Ben Jelloun wird mit dem Prix de l'amitié Franco-Arabe ausgezeichnet.

1977
Bibliografische Angabe La Plus Haute des solitudes (dt: Die tiefste der Einsamkeiten, Übersetzung: Dorothe Schnyder. Basel/Frankfurt/M 1986. Reinbek 1989.), Sozialpsychiatrische Studie. Paris.

1978
Bibliografische Angabe Moha le fou, Moha le sage (dt: Der Gedächtnisbaum, Übersetzung: Christiane Kayser, Berlin 1989. Reinbek 1992), Roman. Paris.
Absatz Ausgezeichnet mit dem Prix de Bibliothécaires de France et de Radio Monte-Carlo 1978 für Moha le Fou, Moha le Sage.

1979
Bibliografische Angabe Die Mandelbäume sind verblutet. Narben der Sonne. Die Rede des Kamels. (Les amandiers sont morts de leurs blessures. Cicatrices du soleil. Le discours du chameau.). Übersetzung: Helmut T. Heinrich. Berlin, DDR. Mainz 1996.

Absatz Tahar Ben Jelloun interviewt Jean Genet für Le Monde (9.11) anlässlich einer im Parlament eingebrachten Gesetzesvorlage, die die Rechte von Immigranten beschneiden sollte.

1980
Bibliografische Angabe A l'insu du souvenir (Im Unwissen der Erinnerung), Gedichte. Paris.

2004–2019 © by Janko Kozmus

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