DIE MARABOUT-SEITE
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Chronik (1901-2019)

Zur Sozial- und Literaturgeschichte Afrikas * von innen und außen 

Tageschronik: 17. April 2005

 

· Die MARABOUT-SEITE zitiert aus Südafrika · 
Mail & Guardian, South Africa


"Bittere Schlacht um die Burqa bricht zwischen Autorinnen aus",

überschreibt Bongani Madondo seinen Artikel für die südafrikanische Sunday Times und spricht von "verschleierten Beschuldigungen", die zwischen den Frauen beim Schriftsteller-Workshop in Durban im Streit um das Verständnis des Islam hin und herflogen.

Bei einer Schriftstellerkonferenz in Durban habe eine Schlacht um die Burqa, den moslemischen Schleier, zwei preisgekrönte Autorinnen in dem Maße verärgert, dass eine von ihnen wutentbrannt hinausgestürmt sei.

"Der hässliche öffentliche Wortwechsel", heißt es in dem Artikel weiter, "zwischen der ägyptischen Feminismus-Autorin Nawal El Saadawi und der südafrikanischen Schriftstellerin  Rayda Jacobs - beide Teilnehmerinnen des Internationalen Literaturfestivals in Durban - endete damit, dass Jacobs den Raum verließ."

Die Auseinandersetzung sei angeheizt worden, als aus dem Publikum die Frage gestellt worden sei, ob moslemische Frauen den Schleier freiwillig trügen oder nicht.

Saadawi, eine gestandene Kritikerin der islamischen Doktrin und Siba Shakib, eine Dokumentarfilmerin, heißt es in dem Bericht, argumentierten lautstark, "dass Frauen im Islam keinerlei Freiheit haben".

Jacobs habe entgegnet, ihre Ansicht sei beschränkt und uninformiert.

"In diesem Land", wird Jacobs zitiert, " haben die Frauen die Wahl, den Schleier zu tragen oder nicht, sogar die das Gesicht bedeckende Burqa, es steht alles in der Wahl der Frau. Vielleicht gibt es in ihren Ländern keine Freiheit für moslemische Frauen, hier schon."

Shakib habe gekontert, Frauen, die den Schleier trügen, hätten überhaupt keine Wahl. "Auf jeden Fall, welche Art von Frau entscheidet sich dafür, in einem heißen Zelt wie dem zu leben?"

Als Jacobs erwidert habe, dass die Erfahrungen der beiden Frauen "nicht notwendigerweise von allen moslemischen Frauen" geteilt würden, habe Saadawi sie der Ignoranz beschuldigt, da, wie sie sagte, nirgendwo im Koran stünde, Frauen sollten einen Schleier tragen.

Erbost habe Jacobs auf Kapitel 24, Vers 31 des Korans verwiesen, welches, wie sie sagte, die Frau verpflichte, einen Schleier zu tragen.

Saadawi ihrerseits habe Jacobs scharf angegriffen und ihr entgegengehalten, sie könne kein Verständnis für den Koran haben, da sie nicht arabisch spreche.

"Ich war sehr enttäuscht und verletzt", zitiert Bongani Madondo Rayda Jacobs, "Ich fühlte einen Schmerz im Herzen, besonders als klar wurde, dass ich heruntergemacht wurde. Ich ging hinaus. Es war sehr hässlich. Mein Herz schlug sehr stark und schnell lehnte ich mich draußen gegen ein Geländer."

Saadawi verließ Durban am vergangenen Sonntag, heißt es in dem Artikel weiter. Als die Sunday Times telefonischen Kontakt aufgenommen habe, habe sie sich, was den Zwischenfall anging, abweisend gezeigt: "Sorry, Ich möchte nicht meine Energie vergeuden. Wir verschwenden Zeit mit Haarspaltereien über Religion. Warum können wir uns nicht wichtigerer Dinge annehmen, wie den Geschehnissen im Irak? Religion ist eine sehr private Angelegenheit. Jedermann hat seine Götter und Göttinnen, und das ist in Ordnung. Warum verschwenden wir Zeit damit. Menschen werden getötet, alle im Namen der Religion. Religion wird benutzt von Neoliberalen um die Weltaufmerksamkeit von dringenden Problemen abzulenken, solchen wie die Ökonomie. Öl im Nahen Osten, das ist der Punkt, nicht Religion. Was immer jemand über den Schleier sagt, ich bin nicht interessiert, danke schön."

In der Folge geht die Sunday Times etwas näher auf die beiden Autorinnen ein, zunächst auf die Ägypterin. Mehr als 30 Bücher habe Saadawi verfasst, darunter der eindringliche Roman Point Zero (dt: Ich spucke auf euch) und das bahnbrechende Sachbuch The Hidden Face of Eve (dt: Tschador - Frauen im Islam).

Für ihre Freimütigkeit habe die Medizinerin Saadawi viele Schikanen erdulden müssen, einschließlich Todesdrohungen von religiösen Fundamentalisten, Entlassungen aus verschiedenen medizinischen Stellungen sowie eine Gefängnisstrafe unter dem früheren ägyptischen Präsidenten Anwar As Sadat.

Jacobs erster Roman, Eyes of the Sky (dt:  Augen des Himmels), sei mit dem Herman Charles Bosman Preis für engl. Belletristik ausgezeichnet worden. Ihr letzter Roman Confessions of a Gambler habe den Sunday Times Literary Award for Fiction sowie den Herman Charles Bosman Preis gewonnen.

Während Saadawis Bücher auf dem Index gelandet seien, fährt Bongani Madondo kritisch fort, "und sie ihre Zeit im Gefängnis verbracht hat, ist Jacobs als unbeschwerte moslemische Autorin in der Literaturszene aufgetaucht, die Stereotypen hinterfragt."

Auf dem Cover ihres berühmtesten Buches Confessions of a Gambler werde die Protagonistin in einer subversiv-unanständigen Pose gezeigt: Einen schwarzen Schleier tragend, ihr Kopf in ein purpurnes Kopftuch gehüllt, mit einer brennenden Zigarette zwischen den Fingern.

"Ich gehe an die Grenzen", wird Rayda Jacobs in bezug auf ihre Arbeit zitiert.

Eine der Autorinnen, die ebenfalls beim Workshop anwesend war, habe sich zu dem Disput zwischen den beiden Autorinnen folgendermaßen geäußert: "Fatal vom Thema abgewichen, in eine engstirnige emotionale Zänkerei gerutscht. Die Gelegenheit, über so viele bedeutende Themen zu reden, ist nicht wahrgenommen worden." Es sei im "relativ freien"  Südafrika unpassend ein Gesetz aufzustellen "über etwas, was eine persönliche Wahl sein sollte, ein Kopftuch zu tragen oder nicht!"

Abschließend lässt der Verfasser des Artikels noch Peter Rorvik, den Direktor des KwaZulu-Natal-Zentrums für Gestaltende Künste, in dem das Festival stattfand, zu Wort kommen: Ungeachtet dessen, dass die Disskussion beim Workshop erhitzt und explosiv gewesen sei, war sie doch Teil der energischen, vitalen Debatte, zu der das Festival zwischen den Autoren sowie zwischen den Autoren und dem Publikum angeregt habe: "Stimmt, Saadawi und Jacobs Diskussion kippte. Was vor sich ging, bevor Jacobs den Raum verließ, war einer großen Debatte wert. Es ist bedauerlich, dass sie hinausging."
(SundayTimes SA, ÜEK: J.K.)

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Anmerkungen:
* inkl. arabischer Raum
ÜEK: J.K. --> Aus dem Englischen Übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©

Quelle:
Sunday Times, South Africa (SundayTimes SA)


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