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Rezension: Tommaso Landolfi - CancroreginaDie Krebskönigin! Es heißt, der Italiener Tommaso Landolfi sei eine unnahbare Person gewesen. Der Öffentlichkeit habe er sich vollkommen verschlossen. Bloß im Casino habe man ihn beobachten können, wo er seiner Sucht frönte, dem Spiel. Als eine ebenso verschlossene Person präsentiert sich der Ich-Erzähler des Bandes Cancroregina - Die Krebskönigin oder Eine seltsame Reise zum Mond. Seine Stimme erhebt sich aus dem Bauch der Krebskönigin, die sich in einer Umlaufbahn um die Erde befindet. Der Ich-Erzähler ist allein, ein Zustand der ihm schmerzlich bewußt ist. Lediglich der Körper eines Toten begleitet die Krebskönigin in ihrem unablässigen Kreisen. Trotz der ganz unwahrscheinlichen Geschehnisse, die der Ich-Erzähler zu berichten weiß, wird dem Leser die Zwangsläufigkeit der Abläufe gleich zu Beginn schlagartig bewußt. Da ist ein Mensch, der sich treiben läßt, den Einsamkeit und Verzweiflung zur Passivität verurteilen. Dem
vergleichsweise einfachen Inhalt zum Trotz übt der Text eine
Faszination aus, der sich der Leser nicht entziehen kann. Tommaso
Landolfi versteht es meisterhaft, die merkwürdig verworrene
Gefühls- und Gedankenwelt des Ich-Erzählers ebenso real
erscheinen zu lassen, wie die des Fremden, der diesen eines Abends
aufsucht, freimütig gesteht, einem Irrenhaus entsprungen zu
sein und ihn, den Einsamen, mit seiner Krebskönigin auf eine
Reise zum Mond entführen zu wollen. Nein, verrückt sei
er nicht.
Der
Ich-Erzähler, in seiner eingestandenen Schwäche, folgt
dem Besucher ins Gebirge, wo Cancroregina, die Krebskönigin,
in einem Berg eingeschlossen, ausharrt. Das Abenteuer mag beginnen.
Es scheint, als könne der Ich-Erzähler seine festgeschriebene
Lebensbahn verlassen. 2002 © by Janko Kozmus |
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