DIE MARABOUT-SEITE
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Chronik (1901-2019)

Zur Sozial- und Literaturgeschichte Afrikas * von innen und außen 

Tageschronik: 15. April 2004

 

·  Die MARABOUT-SEITE zitiert aus Ägypten ·  


Der Schauspieler, Regisseur und konservative australische Katholik Mel Gibson habe sozusagen in "persönlicher Mission" $ 30 Mio. für den "höchst kontroversen Film" locker gemacht, schreibt Gihan Shahine für die ägyptische Wochenzeitung Al-Ahram; der erste Film, der seine volle Länge der schonungslosen und blutrünstigen Darstellung der Qualen der letzten 12 Stunden des Lebens Jesus widmet. Er habe die Menschen überwältigen wollen, wird Mel Gibson zitiert.


Das habe er getan, wollte man das an den Tränen messen, die er den jungen katholischen Gläubigen entlockte. Der Film hat sich als Kassenschlager erwiesen, da machte  Ägypten keine Ausnahme.

In den ersten beiden Wochen in Ägypten haben in 6 Filmtheatern, in denen der Film gezeigt wurde, 42 532 Besucher ihn gesehen. In der vorösterlich günstigen Zeit erwies sich der Film als Goldgrube für die christliche Gemeinschaft Ägyptens, inklusive Kopten, Katholiken und Protestanten.

The Passion hätte sogar noch mehr Menschen angezogen, hätte es nicht Schwarzkopien von Videos und DVD's gegeben, die für 5 ägyptische Pfund auf der Straße verkauft wurden und hätten Kirchen nicht Videoprojektionen für Tausende von Besuchern vor der Premiere ausgestrahlt. Viele der Kinobesucher hätten den Film ein zweites Mal gesehen.

Dieser Fakt mag erklären, dass Muslime die große Mehrheit der Kinobesucher darstellen, trotz der Tatsache, dass Jesus gemäss der islamischen Doktrin ein Prophet war, der weder gekreuzigt wurde noch wiederauferstanden ist. Der Koran erklärt, dass es ein Abbild des Messias war, das eigentlich ans Kreuz genagelt wurde.

Aber vielleicht hat dem Film nichts mehr gedient, als die Aufregung, die er bereits vor seiner Premiere auslöste. Der Film löste eine weltweite Kontroverse über die Komplizenschaft der Juden bei der Tötung von Jesus Christus aus, heißt es in dem Bericht weiter, diese heizten die Anschuldigungen, der Film sei antisemitisch, weiter an. Die meisten Muslime die mit Al-Ahram sprachen, sagten, sie waren von Neugierde getrieben, den Film zu sehen.

Öffentlicher Spekulation zufolge könnte dies der Grund gewesen sein, dass der Film in so vielen arabischen Ländern vom Spielplan genommen wurde und nicht die Tatsache, dass es laut islamisch sunnitischer Doktrin Blasphemie bedeute, die Propheten zu verkörpern. In Ägypten passierte The Mission die Zensur anstandslos, während 1998 der Film The Prince of Egypt wegen der Darstellung des Propheten Moses auf den Index gesetzt wurde.

Gibsons Film jedoch scheint Muslime nicht anzufechten, vielleicht aus dem einfachen Grund, dass sie glauben, die Person, die gekreuzigt wurde, war nicht Jesus sondern ein Abbild von ihm. Al-Azhar's religiöser Zensurberater wurde von Associated Press zitiert mit seiner Ansicht, die besagt, die im Film dargestellten letzten 12 Stunden Christi hätten mit Christen und Juden zu tun, aber nichts mit Muslimen.

Der Herausgeber einer koptischen Zeitung meint, die Tatsache, dass Muslime kein Problem damit hätten, den Film anzusehen, bedeutete, dass die ägyptische Gesellschaft toleranter sei, als üblicherweise angenommen würde.

Und obwohl viele Kritiker sagten, der Film sei nicht antisemitisch, da er zeige, wie viele Jünger Jesu um Nachsicht für diesen bettelten, gebe es fast einen Konsens unter den ägyptischen Christen, der beinhalte, antisemitisch oder nicht, der Film halte sich nur an die Bibel, indem er die Schuld der jüdischen Führer darstelle, die darin bestanden habe, Jesus zu lynchen.

(...)

Mit Abdel-Wahab El-Misseiri zitiert der Bericht einen Professor für zeitgenössische Literatur und den Autor vieler Bücher über Zionismus und jüdisches Gedankengut; er sagt, er sei sicher, manche arabische Zuschauer identifizierten das Leiden Christi mit dem der Palästinenser heutzutage. El-Misseiri findet, dass diejenigen, die glaubten, der Film würde gegen Juden hetzen und dies würde den Interessen der Palästinenser dienen, sich täuschten, weil sie verkennen würden, dass Israel ein nichtjüdischer säkularer und kolonialer Staat sei. Seiner Ansicht nach diene Antisemitismus lediglich dem zionistischen Projekt, denn je mehr Juden in der Welt gehasst würden, um so eher würden sie gezwungen sein, einen jüdischen Kolonialstaat in Palästina und anderen arabischen Ländern zu installieren.

(...)

Der Bericht schließt mit der Darstellung zusammenfassender Meinungen: Der koptische Priester Raphael Sami stellt fest, einige Teile seien "übertrieben und ungenau", obwohl sich der Film eng an die Bibel halte. Beispielsweise sei Christus am Handgelenk und nicht an der Hand selbst ans Kreuz genagelt worden und er übertreibe mit der Sympathie für Pilatus und dessen Frau. Der Psychiater und Angehörige einer evangelischen Kirche El-Kharrat bestätigt dies und fügt hinzu, die Christen seien dennoch sehr glücklich, dass so etwas "Bedeutendes und Tiefgründiges" in ihren Leben in einem exzellenten künstlerischen Versuch dargestellt werde. Der Vizepatriarch der Koptisch-Katholischen Kirche in Ägypten Anba Youhanna Kolta betont lieber die Botschaft des Films, den Respekt für Humanismus und die Unbarmherzigkeit einer Diktatur. · (Al-Ahram, ÜEK: J.K.)

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Quelle:
Al-Ahram, ägypt. Wochenzeitung in arab. u. engl. Sprache (Al-Ahram)

Anmerkungen:
* inkl. arabischer Raum
ÜEK: J.K. --> Aus dem Englischen übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©


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