Der Schauspieler, Regisseur und konservative australische
Katholik Mel Gibson habe sozusagen in "persönlicher Mission"
$ 30 Mio. für den "höchst kontroversen Film" locker
gemacht, schreibt Gihan Shahine für die ägyptische
Wochenzeitung Al-Ahram; der erste Film, der seine volle
Länge der schonungslosen und blutrünstigen Darstellung
der Qualen der letzten 12 Stunden des Lebens Jesus widmet.
Er habe die Menschen überwältigen wollen, wird Mel
Gibson zitiert.
Das habe er getan, wollte man das an den Tränen messen,
die er den jungen katholischen Gläubigen entlockte. Der
Film hat sich als Kassenschlager erwiesen, da machte → Ägypten
keine Ausnahme.
In
den ersten beiden Wochen in Ägypten haben in 6 Filmtheatern,
in denen der Film gezeigt wurde, 42 532 Besucher ihn gesehen.
In der vorösterlich günstigen Zeit erwies sich der
Film als Goldgrube für die christliche Gemeinschaft Ägyptens,
inklusive Kopten, Katholiken und Protestanten.
The
Passion hätte sogar noch mehr Menschen angezogen,
hätte es nicht Schwarzkopien von Videos und DVD's gegeben,
die für 5 ägyptische Pfund auf der Straße
verkauft wurden und hätten Kirchen nicht Videoprojektionen
für Tausende von Besuchern vor der Premiere ausgestrahlt.
Viele der Kinobesucher hätten den Film ein zweites Mal
gesehen.
Dieser
Fakt mag erklären, dass Muslime die große Mehrheit
der Kinobesucher darstellen, trotz der Tatsache, dass Jesus
gemäss der islamischen Doktrin ein Prophet war, der weder
gekreuzigt wurde noch wiederauferstanden ist. Der Koran erklärt,
dass es ein Abbild des Messias war, das eigentlich ans Kreuz
genagelt wurde.
Aber
vielleicht hat dem Film nichts mehr gedient, als die Aufregung,
die er bereits vor seiner Premiere auslöste. Der Film
löste eine weltweite Kontroverse über die Komplizenschaft
der Juden bei der Tötung von Jesus Christus aus, heißt
es in dem Bericht weiter, diese heizten die Anschuldigungen,
der Film sei antisemitisch, weiter an. Die meisten Muslime
die mit Al-Ahram sprachen, sagten, sie waren von Neugierde
getrieben, den Film zu sehen.
Öffentlicher
Spekulation zufolge könnte dies der Grund gewesen sein,
dass der Film in so vielen arabischen Ländern vom Spielplan
genommen wurde und nicht die Tatsache, dass es laut islamisch
sunnitischer Doktrin Blasphemie bedeute, die Propheten zu
verkörpern. In Ägypten passierte The Mission
die Zensur anstandslos, während 1998 der Film The
Prince of Egypt wegen der Darstellung des Propheten Moses
auf den Index gesetzt wurde.
Gibsons
Film jedoch scheint Muslime nicht anzufechten, vielleicht
aus dem einfachen Grund, dass sie glauben, die Person, die
gekreuzigt wurde, war nicht Jesus sondern ein Abbild von ihm.
Al-Azhar's religiöser Zensurberater wurde von Associated
Press zitiert mit seiner Ansicht, die besagt, die im Film
dargestellten letzten 12 Stunden Christi hätten mit Christen
und Juden zu tun, aber nichts mit Muslimen.
Der
Herausgeber einer koptischen Zeitung meint, die Tatsache,
dass Muslime kein Problem damit hätten, den Film anzusehen,
bedeutete, dass die ägyptische Gesellschaft toleranter
sei, als üblicherweise angenommen würde.
Und
obwohl viele Kritiker sagten, der Film sei nicht antisemitisch,
da er zeige, wie viele Jünger Jesu um Nachsicht für
diesen bettelten, gebe es fast einen Konsens unter den ägyptischen
Christen, der beinhalte, antisemitisch oder nicht, der Film
halte sich nur an die Bibel, indem er die Schuld der jüdischen
Führer darstelle, die darin bestanden habe, Jesus zu
lynchen.
(...)
Mit
Abdel-Wahab El-Misseiri zitiert der Bericht einen Professor
für zeitgenössische Literatur und den Autor vieler
Bücher über Zionismus und jüdisches Gedankengut;
er sagt, er sei sicher, manche arabische Zuschauer identifizierten
das Leiden Christi mit dem der Palästinenser heutzutage.
El-Misseiri findet, dass diejenigen, die glaubten, der Film
würde gegen Juden hetzen und dies würde den Interessen
der Palästinenser dienen, sich täuschten, weil sie
verkennen würden, dass Israel ein nichtjüdischer
säkularer und kolonialer Staat sei. Seiner Ansicht nach
diene Antisemitismus lediglich dem zionistischen Projekt,
denn je mehr Juden in der Welt gehasst würden, um so
eher würden sie gezwungen sein, einen jüdischen
Kolonialstaat in →
Palästina
und anderen arabischen Ländern zu installieren.
(...)
Der
Bericht schließt mit der Darstellung zusammenfassender
Meinungen: Der koptische Priester Raphael Sami stellt fest,
einige Teile seien "übertrieben und ungenau", obwohl
sich der Film eng an die Bibel halte. Beispielsweise sei Christus
am Handgelenk und nicht an der Hand selbst ans Kreuz genagelt
worden und er übertreibe mit der Sympathie für Pilatus
und dessen Frau. Der Psychiater und Angehörige einer
evangelischen Kirche El-Kharrat bestätigt dies und fügt
hinzu, die Christen seien dennoch sehr glücklich, dass
so etwas "Bedeutendes und Tiefgründiges" in ihren Leben
in einem exzellenten künstlerischen Versuch dargestellt
werde. Der Vizepatriarch der Koptisch-Katholischen Kirche
in Ägypten Anba Youhanna Kolta betont lieber die Botschaft
des Films, den Respekt für Humanismus und die Unbarmherzigkeit
einer Diktatur. ·
(Al-Ahram,
ÜEK:
J.K.)
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