Vom
"Ende
der Ruhe" berichtet
Mohamed El-Sayed für die englischsprachige Wochenzeitung Al-Ahram
Weekly, vornehmlich aus Shebin Al-Kom, aber auch aus anderen
Gegenden → Ägyptens.
Eine
Welle "von beispiellosen Streiks durch aufgebrachte Arbeiter"
sei in der vergangenen Woche über das Land geschwappt.
In
der im Delta gelegenen Riesenfabrik, die zur Misr Shebin
Al-Kom Spinning and Weaving Company (SSWC) gehört, herrsche
eine verdrießliche Atmosphäre. Der Lärm der brüllenden Maschinen
der 47 Jahre alten Fabrik habe aufgehört, nachdem jemand zum
ersten Mal nach nahezu einem halben Jahrhundert die Aus-Taste
gedrückt habe. Ahmed Gaber, ein loyaler Angestellter der Fabrik
seit ihrer Einweihung 1960 durch Präsident Gamal Abdel-Nasser,
habe fünf Tage neben der Maschine geschlafen, die er seit
seiner Einstellung bedient hat.
"Gaber
hat entschieden, heißt es in dem Bericht weiter, "sich den
4200 Mitarbeitern anzuschließen, die am 1. Februar in Streik
gingen, um gegen die Weigerung der Gesellschaft zu protestieren,
ihnen den Bonus für die vergangenen 7 Monate auszuzahlen."
Die Arbeiter verlangten die Zahlung, bevor die Gesellschaft
den Eigner wechsele und Eigentum der indischen Gesellschaft
Indo Rama werde, die die Gesellschaft für die nächsten 25
Jahre für den Betrag von 125 Mio. → EGP
besitzen würde. Eine weitere Forderung der Arbeiter sei der
45-Tage-Bonus, der ihnen vom Minister für Investment nach
einem Streik im vergangenen Dezember versprochen worden war
Obwohl
die Arbeiter glaubten, der Verkauf an den indischen Investor
sei unter Wert erfolgt, da sich der wahre Firmenwert auf geschätzte
3 Milliarden EGP belaufe, begrüßten sie den Schritt zur Privatisierung,
da es sich dabei um einen internationalen Trend handele. "Wir
begrüßen den neuen Eigentümer, aber wir müssen unsere finanziellen
Rechte erhalten", hieß es aus ihren Reihen.
Bis
jetzt seien die einzigen Opfer drei Arbeiter, die ins Krankenhaus
gebracht worden seien, nachdem sie fünf Nächte in klirrender
Kälte auf dem Betriebsgelände der Firma verbracht hätten.
"Aber der Ruf nach Streik drang am Sonntag bis zu den Fabrikarbeitern
der Kafr Al-Dawwar Spinning and Weaving Company, als
11.000 Arbeiter sich dem Streik anschlossen, um gegen das
Ausbleiben der Zahlung des besagten 45-Tage-Bonus zu protestieren".
Zu den Forderungen der Arbeiter gehörten weitere Anreize,
ein verbesserter Gesundheitsdienst, faire Arbeiterwahlen und
der Rauschschmiss des Direktors der Gesellschaft.
Unterdessen
seien Arbeiter der Cairo Poultry Company in einen zweitägigen
Streik getreten, bis ihnen der zustehende Bonus zugestanden
worden sei. "Arbeiter der Mansoura-Spain company", fährt der
Autor mit seiner Aufzählung fort, "begannen am Samstag mit
einem unbegrenzten Hungerstreik, um gegen Firmenverfehlungen
im Zusammenhang mit Lohnzahlungen und der Behandlung der Angestellten
im Krankheitsfall zu protestieren". Zudem behaupteten die
Arbeiter, dass jedermann, der die Bezahlung fordere, bedroht
würde.
Was
die Situation in Shebin Al-Kom angehe, da stimmte der Leiter
der Egyptian Workers' Union (ägypt. Arbeiter-Gewerkschaft)
mit dem Vorsitzenden der SSWC Mohsen El-Gilany und Leiter
von Spinning and Weaving Syndicate Said El-Gohary in
der Samstagnacht überein, einen Scheck über 5,8 Mio. EGP auszustellen,
um die Angestellten auszubezahlen, bevor Indo Rama die Firma
übernehme. Die Arbeiter seien jedoch äußerst misstrauisch
und äußerten Al-Ahram Weekly gegenüber, das Ganze sei "ein
Trick, um die Arbeiter zu betrügen", bis sie die Gesellschaft
an den indischen Investor übergeben haben würden.
"Gemäß
Verkaufsvertrag halten die Arbeiter 12 % der Firmenanteile
bevor die Firma an den indischen Investor verkauft wird".
Jedoch hätten sie bis jetzt die Anteils-Dokumente nicht erhalten,
heißt es einschränkend. Die Arbeiter beklagten, dass die meisten
von ihnen mehr als 35 Jahre in der Firma gewesen seien und
es sei ihre Arbeit, die diese aufgebaut habe. "Sie verlangen
ihren prozentualen Anteil an den Firmananteilen".
Nach
der Weigerung der Arbeiter, ihren Protest einzustellen, seien
sie von El-Gohary beschuldigt worden, "Terroristen" zu sein
und "die Firma sabotieren" zu wollen. Außerdem habe der Gewerkschaftshef
Megawer "Interessengruppen innerhalb der Arbeiterreihen" ausgemacht,
die "konspirieren, um die Firma zu zerstören". Dem hielten
die Arbeiter entgegen, die Firma nicht sabotiert zu haben,
da sie "die Quelle ihres Lebensunterhalts" darstelle. "Wir
wollen die Fabrik intakt belassen, bis wir unsere Rechte erhalten",
äußerte ein Arbeiter gegenüber Al-Ahram Weekly, "und es gibt
keine politischen Beweggründe, die unseren Streik motivieren".
"Demütigung
und schwierige Arbeitsbedingungen, schlechte Behandlung durch
Vorgesetzte genauso gut wie niedrige Gehälter", resümiert
der Autor des Berichts, hätten dazu geführt, dass die Arbeiter
ihrem anschwellenden Ärger ein Ventil öffneten. "Ich habe
14 Jahre in der Firma verbracht und ich verdiene 400 EGP im
Monat", wird Abdel-Hamid Saleh zitiert. "Die Rentenkosten
belaufen sich auf 300 EGP, wie kann ich da meine Familie durchbringen?"
Auch seine Kollegen hätten zornige Geschichten zu erzählen.
Neue Kollegen hatten ein Dokument unterzeichnen müssen, in
dem sie auf ihr Recht auf Lohnerhöhung, auf Freizeit und andere
Vorteile verzichteten. Zudem sei es verboten, im firmeneigenen
Klub Sport zu treiben, obwohl dafür ein monatlicher Betrag
vom Lohn abgezogen werde und auch das Beten in der neuen firmeneigenen
Moschee sei ihnen untersagt.
"Die
Arbeiter beschuldigen Mitglieder ihres Gewerkschaftskommitees",
heißt es schließlich, nicht für ihre Rechte einzutreten. "Kommiteemitglieder
haben mit leitenden Angestellten der Firma konspiriert", behauptete
ein Arbeiter. "Sie haben sich geweigert, sich uns anzuschließen
und nun sitzen sie in Cafés und trinken Kaffee."
·
(Al-Ahram,
ÜEK:
J.K.)
Quelle:
Al-Ahram,
ägypt. Wochenzeitung in arab. u. engl. Sprache (Al-Ahram)
Anmerkungen:
*
inkl. arabischer Raum
ÜEK: J.K. --> Aus
dem Englischen Übersetzt und kommentiert: Janko Kozmus ©
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