ALTE
MYTHEN NEU ERZÄHLT
Im Herbst 2005 wurde auf der Frankfurter Buchmesse ein von
30 Verlagen unterstütztes internationales Großprojekt
vorgestellt, bei dem Schriftstellerinnen und Schriftsteller
aufgerufen wurden, mythische Stoffe neu zu erzählen.
In 27 Sprachen sollen die Bücher gleichzeitig erscheinen.
Inzwischen
sind in der vom Berlin-Verlag herausgegebenen deutschen Reihe
folgende Bände erschienen: |
|
Eine
kurze Geschichte des Mythos
bei amazon bestellen |
|
Der
Einführungsband von
Karen Armstrong
Eine kurze Geschichte des Mythos
Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff
Berlin 2005 |
|
Ragnarök
bei amazon bestellen |
|
Antonia
S. Byatt
Ragnarök: Das Schicksal der Götter
Berlin 2012
Ragnarök, der nordische Mythos vom Untergang der
Welt, gehört zu den germanischen Göttersagen,
die ein kleines Mädchen liest. Und es wird bald zu
ihrer Lieblingssage |
|
Die
Waisen des Eldorado
bei amazon bestellen |
|
Milton
Hatoum
Die Waisen des Eldorado: Der Mythos von der verzauberten
Stadt
Aus dem brasilianischen Portugiesisch übersetzt von
Karin von Schweder-Schreiner
Berlin 2009 |
|
Adam
und Evelyn
bei amazon bestellen |
|
Ingo
Schulze
Adam und Evelyn
Berlin 2008 |
|
Der
Gott der Träume
bei amazon bestellen |
|
Alexander
McCall Smith
Der Gott der Träume:
Der
Mythos von Angus
Aus
dem Englischen von Michael
Kubiak
München 2007 |
|
Löwenhonig
bei amazon bestellen |
|
David
Grossman
Löwenhonig
Der Mythos von Samson
Aus dem Hebräischen übersetzt von Vera Loos
un Naomi Nir-Bleimling
Berlin 2006 |
|
Penelopiade
bei amazon bestellen |
|
Margaret
Atwood
Die Penelopiade
Der Mythos von Penelope und Odysseus
Aus dem Englischen von Malte Friedrich
Berlin 2005 |
|
Der
Schreckenshelm
bei amazon bestellen |
|
Viktor
Pelewin
Der Schreckenshelm
Der Mythos von Theseus und dem Minotaurus
Aus dem Russischen von Andreas Tretner
Berlin 2005 |
|
Die
Last der Welt
bei amazon bestellen |
|
Jeanette
Winterson
Die Last der Welt
Der Mythos von Atlas und Herkules
Aus dem Englischen von Monika Schmalz
Berlin 2005 |
|
In
einer Kritik schreibt Jürgen Brôcan ("Die Rückkehr
der Titanen", in: NZZ v. 19.08.2006) über das Gesamtprojekt
: "Die gründliche Kenntnis antiker Mythen kann diese Buchreihe
(selbstverständlich) nicht ersetzen. Aber sie kann, via Modernisierung,
zur Beschäftigung mit ihnen hinleiten, als zeitgemässer Schlüssel
zu einer alten Vorstellungswelt." Während der Rezensent
die einzelnen Bände insgesamt positiv sieht, stellt er
fest, dass Karen Armstrong im Einführungsband im Zeitraffer
durch die Menschheitsgeschichte hetze: "Solche schematisch
vergröberten Darstellungen haben zwar ein Fundament, aber es
bleibt in ihnen kein Raum für eine notwendige Differenzierung,
durch die Spekulationen und falsche Details hätten vermieden
werden können." |
Über Atwoods Penelopiade
äußert er sich folgendermaßen: "Atwood
(nun) baut die Lebensgeschichte Penelopes um eine Episode aus
der Odyssee, die in Wolfgang Schadewaldts Übertragung lakonisch
lautet: '... aufgereiht hielten diese ihre Köpfe, und Schlingen
waren um alle ihre Hälse, damit sie auf erbärmlichste Weise
stürben. Und sie zappelten mit den Füssen, ein weniges nur,
nicht gar sehr lange.' Die zwölf Mägde Penelopes, von denen
hier die Rede ist, konterkarieren bei Atwood in unterschiedlichen
literarischen Formen und Stilvarianten den Bericht Penelopes
und entlarven einmal sarkastisch, dann wieder verschmitzt die
Brutalität einer patriarchalischen Gesellschaft, die ihnen keine
Gerechtigkeit widerfahren liess." |
Zu Grossmans Werk
Löwenhonig schreibt er: "Nach Grossmans Deutung
ist Samson kein strahlender Held, sondern ein zerrissener, an
der ihm zugedachten Aufgabe und an seinen übermenschlichen Kräften
scheiternder Mensch. Seit seiner Zeugung von seinem Gott für
die Bestrafung der Philister missbraucht, gelingen Samson keine
vertrauensvollen Beziehungen, weder zu seinen Eltern noch zu
den Frauen, die er zu lieben glaubt. Er lebt 'mit einem grossen
Rätsel in seinem Innern', das ihn unruhig umhertreibt und zwischen
Kreativität und brachialer Gewalt zerreisst. Aus einer heute
befremdlich wirkenden Gestalt wird dank Grossmans feiner Charakterzeichnung
ein leibhaftiger Mensch in all seiner Tragik." |
In
seinem Buch Der Schreckenshelm,
stellt der Rezensent der NZZ fest, reduziere Pelewin "die
Geschichte von Theseus und dem Minotauros auf ein Mythologem:
das Bild vom Labyrinth mit einem darin gefangenen Wesen."
Und herausgekommen sei "eine höchst originelle Belebung
des antiken Stoffs. Das Szenario, in dem sich die sieben Hauptpersonen
des Buchs befinden, beschwört einen Topos diverser Science-Fiction-Filme
herauf. Ohne Erinnerung daran, wie sie in ihren jeweiligen winzigen
Raum gelangt sind, stehen sie nur durch einen Chat untereinander
in Verbindung. Da der Leser einzig die Wiedergabe des Chats
zur Orientierung hat, befindet er sich in der gleichen Situation
wie die Personen, er wird quasi zum Spurenleser im Labyrinth.". |
Unschwer
zu erraten, welchen Mythos sich der deutsche Teilnehmer dieses
Großprojekts vorgenommen hat. Ingo Schulze hat sein biblisches
Paar, Adam und Evelyn,
vom Paradies ins Deutschland der Wendezeit transferiert und
ein "groß gedachtes und konstruiertes Wendeepos" geschaffen,
wie Hubert
Winkel, der Rezensent
der ZEIT, findet... |
Der
in Simbabwe
geborene und aufgewachsene Alexander McCall Smith lebte lange
in Botsuana
und lehrt mittlerweile in Schottland. In seinem Buch Der Gott der Träume
erzählt er den Mythos vom keltischen
Gott Angus, der den Menschen die Liebe und die Träume brachte,
neu. Angus Geschichte wird im reizvollen Kontrast mit den Geschichten
von Menschen im modernen Schottland
verwoben
. |
Man
darf gespannt sein auf die weiteren Bücher in dieser Reihe,
u. a. haben zugesagt der Nigerianer Chinua
Achebe, der Holländer Harry Mulisch und Salman Rushdie.
Das Mythen-Projekt soll noch anderthalb Jahrzehnte fortdauern. |
|