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Rezension: → J. M. Coetzee - Das Leben der Tiere

Im Stil des Gastmahls

J.M. Coetzees Erzählung Das Leben der Tiere

Von Manfred Loimeier (©)

In dem Maße, in dem die Nachrichten über den Fortschritt der Gentechnik zunehmen, wächst auch die Zahl der Bücher, in denen ihre Autoren über den Umgang des Menschen mit der Natur, mit den Tieren nachdenken. Der Schriftsteller J.M. Coetzee, mittlerweile zweifach mit dem Booker-Preis ausgezeichnet*, hat diesem Thema ebenfalls eine philosophische Erzählung gewidmet. Offenkundig wurde Coetzee dazu von Franz Kafkas Bericht für eine Akademie inspiriert, denn dieser wird in der Erzählung mehrmals erwähnt. Konsequenterweise hat der Verlag, der seit Jahren verdienstvoll das Gesamtwerk des Südafrikaners ediert, den Text Kafkas dem Leben der Tiere beigefügt.

Coetzee bemüht sich nicht um Antworten auf die Fragen, die seine Erzählung aufwirft: Bedeutet Massentierhaltung nicht auch Massenvernichtung?; sollte es, wenn der Tierschutz so vehement eingeklagt wird, nicht auch ein Grundrecht für Tiere geben?; sollte man lieber vegetarisch leben?; woher bezieht der Mensch sein Recht auf Tötung von Tieren?; warum betrachtet er sich als Krone der Schöpfung?

Coetzee lässt diese Fragen unverkennbar zwischen den Zeilen anklingen, die geschickt und distanziert den Besuch einer Mutter bei ihrem Sohn und seiner Familie schildern. Die Mutter hält an der Universität, an der der Sohn unterrichtet, einen Vortrag - über Tiere - und führt mehrere Diskussionen in wissenschaftlichen Seminaren und bei einer Soiree. In diesem Rahmen werden Pro und Contra der Tierhaltung und des Fleischverzehrs erörtert, wird die Argumentationskette dieses nicht neuen Streits ausgerollt - von der Antike bis zur Gegenwart. Kein Wunder, dass die Lektüre bisweilen an den Stil etwa in Platons Gastmahl erinnert.

Diese historische Unterfütterung führt dazu, dass sich Das Leben der Tiere nachhaltig im Leserbewusstsein verankert. Das liegt zudem daran, dass sich Coetzee nicht mit dem bloßen Abwägen begnügt, sondern dieses, durch die Charakterisierung der Figuren, literarisch gestaltet. Die familiäre Situation - das bange Erwarten des mütterlichen Besuchs - etwa trägt dazu bei, dass man sich unschwer selbst am Tisch des Abendmahls - es gibt im übrigen Fisch - wiederfindet und in die Debatte verstrickt sieht.

J.M. Coetzee, Das Leben der Tiere. Erzählung aus Südafrika , übersetzt von Reinhild Böhnke, Fischer Verlag, Frankfurt 2000, 94 Seiten, 20 DM.

 

(Originaltitel: The Lives of Animals)

* verfasst 2000, für die Marabout-Seite übernommen 11/2003
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